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immer noch "im Aufbau begriffen"

aber schon mal die Familie:


Andreas Riehm-Strammer (1960)

Doris Strammer (1964)

Jakob (1998), Antonia (2000), Ricarda (2002)


Predigt am Sonntag, den 21. Oktober 2018

in der evangelischen Christuskirche in Philippsburg

zu Jeremia 29, 1-14


 

Liebe Gemeinde!

Es sind nun gerade 80 Jahre: die Reichsprogromnacht hier in unserem Land. Jüdische Geschäfte boykottiert, Scheiben eingeschlagen – und die Synagogen zerstört, auch hier in Philippsburg in der alten Kirchenstraße. Da hat sich im November 1938 schon sehr deutlich ein Unheil angekündigt, der Holocaust. Es kam schlimmer, als jemals gedacht.In diesen Zeiten noch des Anfangs, der Möglichkeiten der Gegen-wehr, des Einspruchs, mehr noch zumindest, als es später dann immer schwieriger wurde, da schrieb Martin Buber die folgenden Sätze:

"Nun sind wir in die Unfreiheit getan worden und an Besitz, Beruf und Leben andrer Macht, andrer Ordnung, andrem Gebot: der Macht, der Ordnung und dem Gebot der Menschen untertan. Aber in dieser Unfreiheit werden wir von Gott aufgesucht – mitten in der Heimsuchung sucht er uns auf. Wenn wir uns ihm zuwenden, den Wahn der falschen Freiheit mit all ihren trügerischen Sicherungen fahren lassen, zu Gottesfreiheit, die die Gottesgebundenheit ist, umkehren, wird sich dieses Taumeln durch die finstere Schlucht als ein Weg, als unser Weg ins Licht manifestieren." (Pred.Med.2018,S.360f)

Ein Hoffnungswort angesichts dessen, daß dann die Horrorgeschichte des jüdischen Volkes begann, der Holocaust. Und zum ersten Mal radikal sichtbar für alle, auch für den sogenannten einfachen Mann auf der Straße – buchstäblich – wurde es hier in Baden und in der Pfalz, als dann im Oktober 1940, gerade am 21.+22. 10. alle Juden in den Dörfern und Städten zusammengepfercht wurden und nach Gurs in Südfrankreich in ein Lager verschafft wurden. Es begann der Holocaust, der die Vernichtung von 6 Mio. Juden durch das Nazi-Regime bedeutete. Wir kennen die Geschichte; und viele kennen auch viele Einzelgeschichten.

Und weiter? Wir – so können und müssen wir sagen - haben es nicht durchlitten. Es ist das Leid des jüdischen Volkes. Aber wir – insbesondere sofern wir Christen sind – sind und bleiben verbunden mit ihnen, da wir mit dem gleichen Gott verbunden sind. Es ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der ihr und unser Gott ist, der uns auch der Vater Jesu Christi ist. Diesem Gott verbunden, dieser Geschichte Gottes mit uns Menschen, dort ist uns auch ein Beispiel vor Augen gestellt, das solche Unfreiheit – in den Worten von Martin Buber – kennt und darin Wege sucht, nicht nur zum puren Überleben, sondern viel mehr noch für neue Hoffnung. Wie können, wie sollen wir in solchen Zeiten noch sinnvoll leben? Wo ist Sinn, wo ist Ziel? Und wo ist Gott? Fragen, die sich seit dem 20. Jahrhundert in einer nie dagewesenen Härte und Bedrängnis stellen. Ein Beispiel aus der Geschichte aber schon aus prophetischen Zeiten jetzt, das eine frühe Variante sein mag für das (spätere) Wort Jesu, eben gehört: Liebet Eure Feinde. Ein Beispiel, das auch uns Anstöße geben mag, da uns ja überall gesagt wird, daß und wo uns viele Feinde umgeben und wir uns zu wehren hätten.

Denn das Volk Israel, genauer gesagt viele aus der Oberschicht, sie wurden im Jahre 587 vor unserer Zeitrechnung in die Stadt Babylon deportiert, dort wie gefangen gehalten. Babylon also die Stadt der Feinde. Und nun: gibt es dort Hoffnung? Gibt es vielleicht Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat, in das gelobte Land? Eben dazu gibt es ein wahrhaft prophetisches Wort: (Jer.29)

1 Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte:... 4 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: 5 Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; 6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's euch auch wohl. ... 10 Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. 11 Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. 12 Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. 13 Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, 14 so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.

Überraschend,liebe Gemeinde, oder nicht? Überraschend,wie eben manchmal prophetische Worte. Es überrascht doch sehr, daß es hier, wo die Israeliten im Exil sind, umgeben von dem feindlichen Volk, das sie deportiert hat, und eigentlich immer nur Ausschau haltend nach der Rückkehr in die Heimat, endlich bald ein Ende dieser Gefangenschaft – daß sie da aufgefordert werden, sich einzurichten. Also Familien zu gründen, Häuser zu bauen, Landwirtschaft zu beginnen. Und eben: Suchet der Stadt Bestes. Das überrascht durchaus, sicherlich auch die damals Exilierten, unter denen es wohl auch diese Partei gab, die sagte: jetzt müssen wir alles dran setzen, daß wir zurück kommen. Wir müssen unsere Eigenheiten bewahren, auf das eigene Recht setzen, uns möglichst abschotten, damit wir uns schnell wieder entfernen können, wenn möglich. Auf jeden Fall keine Verbindung mit diesen Erzfeinden hier um uns herum.

Suchet der Stadt Bestes, das mag richtiggehend anstößig klingen in manchen Ohren. Und auch heute noch in ganz anderen Zusammenhängen, auch unter Christen. Der Stadt Bestes mögen gerade die Deutschen Christen im Dritten Reich gesucht haben, und haben sich an den Führer gehängt, mit die Hand zum Gruß gehoben und dann zum Teil eigenmächtig an der Vernichtung von Leben mitgewirkt. Solcher Art ist unter allen Umständen eine Absage zu erteilen.

Aber andere wiederum dehnen es aus und erteilen jeglicher politischen Meinungsäußerung einer Kirche eine Absage. Kirche und Christen haben sich herauszuhalten aus Politik und Wirtschaft, sie haben nichts zu sagen, wenn ein Betrieb schließt oder Hartz IV beschlossen wird oder ein Asylgesetz die Grenzen dicht macht und Flüchtlingen keine Lebenschancen mehr im Land läßt. Da werden Kirchenleute, die da der Stadt Bestes suchen, als Gutmenschen abgetan und zum Teil massiv angegangen.

Aber doch heißt es: Suchet der Stadt Bestes, auch in friedlichen Zeiten, deren wir uns hier rühmen dürfen; genauso wie wenn es sein muß: Liebet eure Feinde.

Und bei der Stadt zunächst aus einem einfachen Grunde: wenn es ihr wohl geht, dann geht es euch auch wohl. So einfach wie klar diese Logik, und genauso schnell ist sie übersehen. Unsere Bevölkerung altert, und dennoch stöhnen wir über die vielen Flüchtlingskinder. Die Wirtschaft beklagt den Facharbeitermangel, und dennoch werden die fähigsten ausländischen Fachkräfte wieder abgeschoben. Die Arbeitslosenquote ist gering wie nie und überall suchen die Handwerker Nachwuchs, aber massenweise müssen Menschen auf der Straße sitzen und dürfen nicht arbeiten, weil sie Flüchtlinge sind. Und wir wundern uns, wenn dann der ein oder andere auf dumme Gedanken kommt. Was immer an Problemen oder Aufgaben vor den Bürgern eines Landes und somit auch vor den Christen in diesem Land liegt, diese Logik ist klar: wenn es der Stadt gut geht, dann geht es auch euch gut.

Doch da ist noch ein anderes, was uns diese manchmal überraschende und anstößige Forderung begründet. Da ist Gottes Wille. Jeremia wird da in seinem Brief an die Exilierten in Babylon deutlich. Er schreibt: Gott spricht: Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen. Es ist nicht allein, und zuletzt gar nicht mein Wille und Entscheidung, wo ich wohne und lebe. Und es ist zuletzt auch nicht der Wille und die Entscheidung eines anderen Menschen, zB: der sogenannten Feinde, daß sie mich zu allem zwingen. Es ist der Wille Gottes. Ich – spricht Gott – habe euch dahin wegführen lassen. Daß ich als Mensch nun und hier lebe, das verdanke ich Gott. Daß ich da auch Möglichkeiten gefunden habe nicht nur zum puren Überleben, sondern einiges darüber hinaus, das danke ich Gott. Daß es diese Möglichkeiten überhaupt gibt, zu denen die Exilierten dort in Babylon aufgefordert werden, Hausbau, Landwirtschaft, Familiengründung, das alles kann ich doch nur Gott verdanken. Es ist Gottes Wille. Und so ist es auch Gottes Wille, daß es dieser Stadt und diesem Land gut gehen soll und die Menschen darin ihren Beitrag dazu leisten sollen. Und nicht zuletzt, sondern eher wohl zuerst ist dieser Beitrag auch das Gebet: Betet für sie zu Gott, heißt es.

Gottes Wille – er wird sogleich auch weiter ausgeführt. Nicht nur in der Vergangenheit war es so, auch in der Zukunft wird es so gehen. Gott wird jeweils an den Ort bringen, der vorgesehen ist. Immer ist es ein ausgewählter Ort. Wenn dann 70 Jahre rum sind, so ist es hier angesagt, dann werden die Exilierten wieder gesammelt aus allen Völkern und werden an den Ort der alten Heimat zurück gebracht. Und wie auch immer es sich im Moment darstel-len mag, ob sehr utopisch oder zum Greifen nahe, immer wird es heißen:

Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.

Ob ein neues Zusammenleben und Verständigung utopisch oder zum Greifen nahe – Gott hat Gedanken des Friedens. So hat der 1.Weltkrieg vor gerade 100 Jahren geendet, und es begann die Versöhnung mit dem Erzfeind Frankreich.
Ob utopisch oder zum Greifen nahe ein Ende des Holocaust und auch des 2.Weltkrieges – Gott hat Gedanken des Friedens und hat vor über 70 Jahren einen neuen Anfang geschenkt. Ob utopisch oder zum Greifen nahe eine Gesellschaft, in der jeder Mensch die volle Freizügigkeit hat und wohnen kann, wo er/wo sie will, ohne daß es noch ein Asylgesetz oder ein Einwanderungsgesetz bräuchte, da wir doch alle Weltbürger sind – Gott hat in allen Fällen Gedanken des Friedens. Diese Gedanken Gottes bleiben, und diese geben Zukunft und Hoffnung.

Und die Zusage ist, daß es gelingen wird, weil der Weg vorgezeichnet und geöffnet ist:

Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR.

Eine überraschende und anstößige Ansage wird zur Öffnung für ganz neue Wege der Hoffnung. Ob es dies für das jüdische Volk in ihren Zeiten des Leides war, oder ob es für uns ein Haltepunkt für Wollen und Handeln im politischen Leben ist – es ist Gottes Wille, daß wir der Stadt Bestes suchen und aller Unmenschlichkeit und Abschottung und Verachtung widerstehen, um den Gedanken des Friedens zu folgen

Und der Friede Gottes, der all unsere Vernunft übersteigt, bewacht eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.